Es gibt viele Quellen zu Anarchie und auch viele verschiedene Strömungen und keine festgelegte dogmatische Definition. Wenn du dir unterschiedliche Quellen anschaust, achte darauf, dass Anarchie nicht als Chaos oder Gewalt definiert wird und dass in der Definition sowohl solidarische als auch freiheitliche Aspekte vorkommen. Denn es gibt auch einige Strömungen, die sich Anarchist_innen nennen, bei genauerer Betrachtung aber egoistische oder neoliberale Ziele verfolgen.
Ein Anarchist glaubt an eine freie Gesellschaft gleichberechtigter Menschen ohne Herrschaft. Er tritt für die Beseitigung jeder Herrschaft ein und bekämpft Staat, Kirche, Polizei, Kapital, Herrschaftsideologie. Er tritt immer und überall für die Interessen der unterdrückten Masse ein, gleichzeitig arbeitet er an den theoretischen Modellen und den praktischen Beispielen für eine künftige Gesellschaft, eine Gesellschaft ohne Herrschaft und Autorität, ohne Ausbeutung und Entfremdung, aufgebaut auf neuen Prinzipien wie Solidarität statt Egoismus, gegenseitige Hilfe statt Konkurrenz und freie Vereinbarung statt Befehlsprinzip.
(aus Was ist eigentlich Anarchie, Karin Kramer Verlag Berlin)
Anarchie ist Ordnung ohne Herrschaft. Das bedeutet, dass Menschen nicht das tun, was der Staat oder Chef ihnen sagt, sondern nach ihren Bedürfnissen handeln. Diese Freiheit ist nur möglich, wenn die Menschen sich solidarisch ihren Mitmenschen gegenüber verhalten und auch deren Freiheit respektieren. Wenn Ressourcen wie Wohnraum oder Nahrung beschränkt sind oder notwendige Aufgaben verteilt werden müssen, treffen die Menschen, die davon betroffen sind, eine gemeinsame Entscheidung und handeln dann gemäß dieser gemeinsamen Vereinbarung.
(aus Was ist das?)
Eine herrschaftsarme Gesellschaft ist eine Gesellschaft, in der solidarisch gewirtschaftet und gelebt wird, in der Entscheidungen von denen getroffen werden, die davon betroffen sind, in der Herrschaftsmechanismen jeder Form skeptisch hinterfragt und abgebaut werden.
Anarchie ist Sozialismus und Freiheit in einem. Freiheit ohne Sozialismus besteht aus Privilegien und Sozialismus ohne Freiheit bedeutet Gewalt und Unterdrückung. (Bakunin)
I believe, as I always have, in freedom. The freedom which rests on the sense of responsibility. I consider discipline indispensible, but it must be inner discipline, motivated by a common purpose and a strong feeling of comradeship. (Durruti)
Anarchisten verstehen heute ihre Rolle im revolutionären Prozess daher kaum noch als Avantgarde. Diejenigen, die es immer noch tun, sind entweder bei einem halb verstandenen Bakunin stehen geblieben oder begeistern sich an den roten Mythen aus der Mottenkiste des Leninismus, die mit Anarchie nichts zu tun haben. Vielleicht nehmen sie sich auch nur ein bisschen zu wichtig. (Stowasser)
Anarchie ist das Streben nach Herrschaftsfreiheit. Genauso wichtig wie Freiheit und die Verantwortung für sich selbst ist dabei die Solidarität, das ist die soziale Verantwortung und gegenseitige Unterstützung, mit und für andere Menschen, denn es gibt keine Freiheit, wenn nicht auch die Freiheit und Chancengleichheit der anderen Menschen respektiert ist. Oder um es anders zu formulieren: Meine Freiheit ist nur dadurch gegeben, dass ich die Freiheit der anderen genauso schätze.
Denkweisen, die wie der Neoliberalismus nur die Freiheit und die Verantwortung des Individuums betonen und Solidarität vergessen, erzeugen Egozentrismus, Privilegien und Arroganz bei denen, die sich die Freiheit genommen haben, schneller als andere ein größeres Stück vom Kuchen zu nehmen. Denen, die nicht so viel abbekommen haben, wird gesagt, dass sie selbst für diesen Umstand verantwortlich seien, was nicht nur eine sehr verzerrte Sicht der Dinge ist, sondern auch für Isolation, Unsicherheiten, Wut und Barbarei sorgt oder - je nach Propaganda der Privilegierten - auch zu Führerkult führen kann.
Anarchie dagegen sieht Verantwortung nicht dogmatisch nur oder gar nicht beim Individuum, sondern sowohl beim Individuum als auch beim sozialen Umfeld. Anarchie ist Freiheit und Solidarität in einem. Durch diese Kombination wird es für das Individuum und die soziale Gemeinschaft planbar, wer wie viel vom Kuchen bekommt. Vertrauen und Verlässlichkeit können entstehen.
Auf dem Weg in eine herrschaftsarme Gesellschaft ist es wichtig, die Balance zwischen Freiheit und Solidarität zu halten, weder das eine noch das andere zu verlieren, Theorien oder Menschen, die das eine oder andere stark betonen oder in anderer Weise dogmatisch agieren, kritisch zu betrachten und fragend voran zu schreiten.
(aus Vergiss nicht Solidarität und Skeptizismus)